BASTARD NETWORKER FROM HELL
Edition 1 - "Die Kaffee-Tanten"
Ich grabsche mir den Kaffeeautomaten-Schlüssel und mache mich auf dem Weg zum Aufenthaltsraum. Unser Kaffeeautomat hat nämlich eine tolles Goody: Man kann mit einem persönlichen Schlüssel bargeld- oder zumindest münzenlos Kaffees abpumpen und diesen dann wieder mit Scheinen "aufladen", wenn das Guthaben aufgebraucht ist. Das alleine wäre noch kein tolles Goody. Dummerweise hat das Ding aber eine serielle Schnittstelle für Wartungszwecke, und der Servicetechniker, welcher meist mit roter Nase (auch im SOMMER ...) eintrifft, hat aus Memory-Drop-Gründen als Paßwort etwas, was noch dümmer ist als sein eigener Vorname: Den Firmennamen. Es zahlt sich eben aus, etwas eigene, kostbare Zeit zu investieren und anderen bei der Arbeit zuzusehen ...
Der alte 386er mit 4MB und Linux, den keiner mehr haben wollte, ist doch ein vorzügliches Gerät, um den Kaffeeautomaten zu konfigurieren ... gut, daß ich ihn wegen "ISA-Synchronisations-Controller-Alterung" vorzeitig aus dem Stand ausgeschieden und in meinen privatdienstlichen Besitz überführt habe. Die Leute in der Zentrale sind schon zufrieden, wenn irgendein Text im Feld "Begründung" steht. Neulich habe ich bei einem PC-Antrag als einseitige Begründung eine Interpretation von "Iphigenie auf Tauris", die ich zufällig beim Maildurchstöbern gefunden habe, angeführt. Mir kam sogar vor, der PC kam noch schneller als sonst bei uns an ... Jedenfalls kann ich mit dem Ding den Kaffeeautomaten vom gesamten Netz aus steuern, und mein "Vorrat" auf dem Schlüssel ist seitdem praktisch nie mehr zur Neige gegangen.
Zwei Zopfwild-Exemplare stehen am Automaten vor mir in der Schlange. Die vordere klimpert geräuschvoll in der Geldtasche, um Kleingeld zu suchen. Plötzlich ruft die hintere entzückt in einer Tonlage, die sich keinesfalls im normalen Sprachband eines Telefons (300Hz..3500Hz) übertragen ließe: "Das brauchst Du nicht, wir haben doch jetzt alle Schlüssel." - "Aha", denke ich mir, "dann ist die andere wohl eine Dame der Vertriebsabteilung vom anderen Gebäudetrakt, die wissen nämlich von ALLEM immer als LETZTE."
Wie ich mir das Gemurkse der beiden so ansehe, denke ich: "Oje, das kann dauern." Richtig geraten, der Schlüssel paßt nicht. Es ist interessant, wie stur manche Leute sind, wenn sie überzeugt sind, daß etwas so gemacht gehört, wie sie gerade denken. "Der Schlüssel geht nicht rein !" ruft sie. "Schon mal verkehrt probiert ?" frage ich und kassiere gleich darauf ein "perverses Schwein" von der Dame. Nachdem ich sie aufgeklärt habe, daß es nicht SO gemeint war, sondern auf den Schlüssel abzielte, wird sie rot und sagt nichts mehr, probiert es dann aber doch so. Endlich, er steckt !
Nun kommt der wesentlich schwierigere Teil. Der Automat kann ca. 70 verschiedene Versionen der Getränke zubereiten: Kaffee mit Koffein und Milch; Kaffee ohne Koffein und ohne Milch, aber mit Zucker; Cappucino mit Zucker, koffeinfreier Cappucino ohne Zucker; Kaffee ohne Wasser, usw. Dazu gibt es eine Auswahlmatrix mit zweistelligen Kennzahlen. "62" ist z.B. ein Cappucino mit Zucker. Mit Sorgenfalten auf der Stirne blicken die beiden Zopfwild-Exemplare auf die Auswahlmatrix. Schließlich SCHEINEN sie das gesuchte Getränk gefunden zu haben und tippen den Code ein. Der Automat rührt sich nicht. Die Stirnrunzeln werden größer. Neue Berechnungen werden eingeleitet. Da - endlich das Ergebnis ! Doch auch diesmal schweigt der Automat. Gänzlich ruhig und entspannt bemerke ich beiläufig: "Na, kein Freispiel heute ?" Böse Blicke steuern meinen Kurs, doch mein dickes Fell absorbiert sie. Hilfsbereit sage ich: "Mal kurz raus und wieder rein ... den Schlüssel !" bemerke ich noch schnell, ehe wieder animalische Gemeinheiten mein zartes Trommelfell malträtieren.
Jedenfalls macht sie das und tippt ihren Code erneut ein - und es funktioniert wider erwarten ! Als der Kaffeeautomat endlich einen Kaffee herausläßt, sage ich salopp in typischem EDV-Guru-Ton: "Tja, das Ding ist halt auch nur ein Computer !". Das löst bei Zopfwild offensichtlich eine Kettenreaktion aus. Als Resultat dieser langwierigen Prozedur kommt nach ca. 10 Sekunden die Meldung: "Jaja, stimmt genau, wie unser Rumba, das ist gleich langsam, oder noch langsamer, jetzt kann man sich wenigstens am Kaffee-Automaten schon an das Tempo der Blechkiste gewöhnen !"
Das trifft mich nun doch empfindlich in meinem Stolz. Zur Belohnung beschließe ich, die Nebenstelle der Nörglerin auf die von Tierarzt Hämmerle umzuleiten. Der wird sich freuen, wenn er sooo viele neue Kunden bekommt ! Gut, daß unsere Anlagenprogrammierer eine so tolle Ausbildung hatten. Man kann mit dem Ding wirklich alles machen, sogar Nebenstellen von anderen Nebenstellen aus umleiten ... und unsere Fuzzies wissen's nicht - und selbst wenn: sie könnten es nicht abstellen ... Jaja, ich sage es immer wieder: Man muß die Resourcen nutzen, wie sie fallen ! Der Kaffee schmeckt heute wieder besonders gut ...