BASTARD NETWORKER FROM HELL

Edition 2 - "Callback"


Heute bin ich nach drei Wochen Urlaub wieder im Büro. Ich glaube, ich brauche erst einmal Urlaub vom Urlaub, weil ich heute bereits um 07:33 an meinem Arbeitsplatz war, also nur 3 Minuten zu spät. Sonst schaffe ich es meist, bis ca. 08:30 einzutrudeln. "Egal, das wird schon wieder", denke ich mir. "So eine leichte Unpäßlichkeit hat jeder 'mal."

Als bereits drei Minuten später das Telefon läutet, beschließe ich, mich voll konzentriert und mit vollem Elan in die Arbeitswelt zurückzubeamen. Deshalb gebe ich mir zuerst einmal einen Kaffee an der Saeco, bevor ich den Hörer abhebe. Wie jeder weiß, ist nämlich ein Administrator mit zuviel Blut im Koffein keinesfalls auch nur im Entferntesten irgendwie fähig, seine Arbeit zu seiner Zufriedenheit zu erledigen. Deshalb habe ich ja auch meinen Spezialschlüssel für den Kaffeeautomaten im Aufenthaltsraum ... [1]

Leider hat der Anrufer mittlerweile das Handtuch geworfen. Naja, User sind auch nicht mehr das, was sie früher einmal waren ... einfach keinen Biß mehr, die Typen. Glücklicherweise haben wir eine ISDN-Anlage mit Display, sodaß ich äußerst wichtige Anrufer sofort ignorieren kann. Deshalb kann ich auch die nächsten drei Anrufer prompt "erledigen". Wenn ich mich gemeldet hätte, wären daraus sicher Gespräche zu je fünf Minuten oder mehr geworden. So hat es eben nur 30 Sekunden geklingelt, was mir und dem Anrufer je mindestens vier Minuten und 30 Sekunden gespart hat. Ist doch super !

Dann lasse ich mich aber doch breitschlagen. Schließlich hat der Chef heute schon gezählte fünfzehn Mal versucht, mich zu erreichen. Da ich nicht gewillt bin, die Versuchsreihe zur Ermittlung der kritischen Anzahl an Chef-Anrufen (das ist die Anzahl der Anrufe, nach der der Chef aufgibt und zu Fuß zu mir ins Büro kommt) fortzusetzen und ein neues Maximum zu finden, hebe ich ab. Die Statistik sagt übrigens, daß sich der Chef noch nie die Mühe gemacht hat, nach weniger als 9 Anrufen persönlich vorbeizuschauen, jedoch in 62% der Fälle bereits nach dem 13. Mal hier eintrudelte. Auch wird es kritisch, wenn die Anzahl der Klingelzeichen im Vergleich zum ersten Anruf um mehr als 50% abnimmt - ein Indiz für einen bevorstehenden Besuch. Den absoluten Rekord stellte er im letzten August mit 27 Mal auf, allerdings war es da so heiß, daß dies fast als "Doping" angesehen werden muß. Fünf Treppen steigen in einem Haus ohne Lift ist bei 33°C im Schatten eben nicht das Wahre. Warum wir in einem Haus mit sechs Etagen keinen Lift haben - das ist eine andere Geschichte ! [2]

Wenn Sie mich jetzt noch fragen, warum mir der Chef kein eMail schickt, wenn er mich nicht erreicht, dann muß ich sie ebenfalls vertrösten ... [3]

Der Chef faselt irgendwelches unverständliches Zeug und will unbedingt, daß ich einen RömerISten [4] zurückrufe, der es gewagt hatte, mich während meines wohlverdienten Urlaubes dringendst sprechen zu wollen. Da ich natürlich niemandem erzählt habe, daß ich nicht in Urlaub fahre, sondern zu Hause bleibe, wußte keiner, wo ich zu erreichen war. Auf meinen Anrufbeantworter zu Hause habe ich die Ansage der Tierkadaververwertung kopiert und werde daher auch vor Leuten, die meine Nummer finden und aus Verzweiflung wählen (z.B. der Chef) verschont. Nur durch Aufsprechen eines bestimmten Paßwortes an einer ganz bestimmten Stelle der Ansage kann diese unterbrochen und das Klingelsignal auf meinen Apparat weitergeschaltet werden. Leider konnte ich das in der Praxis noch nicht so genau testen, da nur ich das Paßwort kenne ...

Ich sehe auf die Uhr: Es ist 10:44. Das ist feng-shui-mäßig eine ganz schlechte Zeit, um jemanden zurückzurufen. Eine Runde PORNTRIS wird die Zeit bis zum nächsten günstigen Anruffenster überbrücken. Man muß sich das mit den Anruffenstern etwa so vorstellen wie mit den Startfenstern bei Raketenstarts: Irrt man sich in der Zeit, gibt's eine Riesensauerei.

Mein NT-Wecker bimmelt, es ist 12:01. Das nächste Anruffenster (12:08 - 12:13) naht mit Riesenschritten. Die beiden anderen Anruffenster sind 05:23 - 05:48 und 22:00 - 22:05. Zu diesen Zeiten wird überall in unserer Firma gegessen, geschlafen (das sowieso), ein Backup gemacht, ein Server rebootet oder einfach nur "Zeit im Bild" im TV geglotzt, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit, einen "Fehlstart" hinzulegen (d.h., am anderen Ende jemanden ans Rohr zu bekommen) deutlich verringert.

Tatsächlich geht niemand an die Strippe, als ich pünktlich um kurz vor knapp anrufe. Natürlich führt unsere Telefonanlage Buch darüber, wer wann wo angerufen hat. Dies verwende ich auch immer, um zu belegen, daß ich erfolglos versucht habe, zu den besten Bürozeiten jemanden zu erreichen. Daß mein Anschluß mit der Zeitzone "GMT-02:00 : Mittelatlantik" geloggt wird, ist den Anlagentechnikern sicher auch [1] noch nicht aufgefallen ... Ich schicke dem Typen also ein GALLIGES eMail mit einem Auszug des o.a. Logbuchs und ersuche ihn, seine "dringenden Bedürfnisse" in eMail-Form zu äußerln. Anschließend shifte ich dem Chef per Apparate-Fernbedienung (jaja, was das Ding alles kann [1]) sämtliche Stellen aller Kurzwahlen um ein Bit nach links und programmiere die Zifferntasten 1-3, 5-6 und 8-0 jeweils paarweise um. Das sollte mich für heute vor ihm verschonen. Mein Handy leite ich auf die Zeitansage (1503) um und habe somit endlich DIE nötige Ruhe, die mich zum Urlaub vom Urlaub befähigt - ich gehe Motorradfahren und lasse den Herrgott einen guten Mann sein.

[1] Siehe BNfH, Edition 1
[2,3,4] Dazu später (in einer der folgenden Editionen) mehr !